Freitag, 24. August 2007

Die Unbelehrbaren

Zum Glück versank die DDR 1989 in den selben Ruinen aus welchen sie '49 auferstanden war, denn bei der Pisa-Studie hätte sie vermutlich noch schlechter abgeschnitten als der verhasste Bruderstaat im Westen. Wer es nämlich in vierzig Jahren hinter dem antifaschistischen Schutzwall immer noch nicht begreift, dass der einst unter österreichischer Fremdherrschaft eingeführte Lehrplan schon damals überholt war, und mittleweile noch viel weniger modernen pädagogischen Anforderungen entspricht, scheint an irgendeinem Zeitpunkt die Schule geschwänzt oder die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Dies trifft sowohl auf die Schläger von Mügeln zu, die in bester SA-Manier eine Gruppe Inder durchs Dorf hetzten, als auch auf die tatenlos gaffenden Zuschauer, denn beide Gruppen scheinen offensichtlich nichts dazu gelernt zu haben. Die akuteste Versetzungsgefährdung besteht jedoch bei den Kommunalpolitikern, welche den Vorfall zunächst einmal auf fremdenfeindliche Motive hin prüfen wollten, denn nationalsozialistische Parolen alleine sind ja schließlich noch lange kein ausreichendes Indiz für eine rechtsextremistisch motivierte Tat. Im Gegenteil, so ist sie eben die deutsche Geselligkeit, da kann es auf Festen schon mal etwas handgreiflicher zugehen. Ja, nee, is klar.
Zum Glück versank damals mit der DDR auch die Mauer, denn noch einmal vierzig Jahre lang dahinter nachsitzen wäre eine angemessene Strafe für ein solches Betragen gewesen.

Die zahnseidene Blondine

Obwohl er im Juli aktuell gewesen wäre, muss dieser Eintrag trotzdem noch ins Logbuch: Die Meisten dürften bereits die Erfahrung gemacht haben, dass der Alterungsprozess, dieser widerwärtige bio-soziale Vorgang vor niemandem Halt macht - auch nicht vor Bloggern. Während man also von Mutter Natur in brutaler Regelmäßigkeit beständig ein Lebensstadium weitergerückt wird, entfernt man sich zwangsläufig immer weiter von dem, was gemeinhin als Mittelpunkt der Jugendlichkeit betrachtet wird.
Um sich nun unter Umgehung sämtlicher Fettnäpfchen dennoch auf dem Laufenden zu halten, schien mir der Erwerb einer Ausgabe des Lifestyle-Magazins blond ein geeignetes Mittel. Was sich mir darin offenbarte, rief jedoch gleichermaßen Verwunderung und Erschrecken hervor: Anstelle der erwarteten Preisvergleiche für voll kompostierbare Skateboards oder Börsen für Praktika in Polynesien, stieß ich darin doch allen Ernstes auf einen Test für Zahnseide. Man mag über Zahnseide nun denken was man will, aber eigentlich genügt es vollauf, welche zu benutzen oder nicht. Sobald man sich allerdings um die Auswahl der Richtigen sorgt, wird es meiner Meinung nach bedenklich. Und wenn dies durch Personen geschieht, die der von mir für blond angenommen Zielgruppe zwischen 18 und 25 Jahren entstammen erst recht.
Immerhin ließ sich zu meiner Befriedigung feststellen, dass ich beim letzten Einkauf instinktiv die richtigen Mundhygienefäden ausgewählt hatte, aber welchen Stellenwert kann man schon einem Zahnseidevergleich zwischen Paris Hilton und einer Nintendo Wii-Reklame beimessen?

Donnerstag, 23. August 2007

Hamburger-Hype

Der Spiegel titelt in dieser Woche mit "Vergesst London und Paris! Europas coole Städte sind Amsterdam, Barcelona, Dublin, Kopenhagen, Tallinn, Hamburg..."
Und gerade Hamburg ist der Stein des Anstoßes, denn gleich am Montag lästerte die taz darüber, dass die Hansestadt ja wohl nur deshalb in die Liste aufgenommen wurde, weil sich zufälligerweise der Hauptsitz des Augsteinschen Verlages dort befindet und Rudis Erben eben auch zum Club der coolen Leute zählen wollen.
Dieser Vorwurf scheint nicht gänzlich aus der Luft gegriffen zu sein, denn betrachtet man das Online-Spiegelbild dieser Woche, taucht darin vor allem der Stadtstaat an der Elbe in ungewohnter Häufigkeit auf: "Kulturstadt Hamburg", "Hamburger HafenCity" und "Global City Hamburg" werden in jener aufdringlichen Hartnäckigkeit herunter geleiert, die bislang nur einem gewissen Verlag mit Sitz in Berlin eigen war. Glücklicherweise ist die Hauptstadt (noch) uncool...

Dienstag, 21. August 2007

Das aktuelle Trendbarometer

IN: Rückrufaktionen. Wer was auf sich hält, ruft dieser Tage zurück, und zwar am besten wegen irgendwelcher Metallteilchen. So etwa der Ramschladen Mattel, dessen dämliche, blonden Töchter sich anstelle von Modeschmuck mit kleinen Magneten behängt haben, oder Hänschen Riegel aus Bonn am Rhein, der den bei einer Reinigung angefallenen Metallabrieb aus Versehen in seine Kokosbällchen eingebacken hat. Wann und ob sich der Freistaat an diesem Trend beteiligt, und etwa seine Politiker zurückruft ist bislang jedoch ungewiss.

OUT: Streikende Lokführer. Weil Lukas & Co. mehr Kohle fordern, musste Bahnchef Mehdorn seinen für Mittwoch angekündigten Besuch in der Moselmetropole Trier leider absagen. Kleines Trostpflaster: Aufgrund der umständlichen Bahnverbindungen in die älteste Stadt Deutschlands wäre der Verspätungsweltmeister wohl ohnehin nicht vor Freitag eingetroffen.

Montag, 20. August 2007

Heißer Herbst

Soeben verkündete Volker Kauder via Tagesschau in seinem unnachahmlichen Welsch das Ende der Sommerpause, und da diese - in Zeiten des Klimawandels verständlich - meteorologisch eher durchwachsen war, steht einem heißen Herbst - zumal im Jubiläumsjahr - doch eigentlich nichts mehr im Wege.
Dazu passend flatterte heute auch der erste Aufreger der neuen Saison ins Haus: Einen Mangel an Fachkräften will das Institut der deutschen Wirtschaft im Lande ausgemacht haben, der alleine in diesem Jahr bis zu 20 Milliarden Euro kosten soll. Alles halb so wild findet man auf dem T-Boot, denn ein Blick in die deutschsprachige Blogosphäre könnte des Rätsels Lösung sein: hier stehen sich doch die Fachkräfte, ganz wie die Prostituierten im legendären Song der Spider Murphy Gang, die Füße platt.

Mittwoch, 15. August 2007

Möglicherweise Mogelpackung

Irgendwas muss faul sein im Staate Deutschmark, denn wenn der Vorschlag eines Bundesministers die Zustimmung des Koalitionspartners, der Opposition und weiten Teilen der Wählerschaft findet, ist dies mindestens so verdächtig wie die Üblichen. Wenn dieses Anliegen, Beamte wie andere Normalsterbliche bis zum 67. Lebensjahr arbeiten lassen zu wollen, dann auch noch ausgerechnet dem Geiste Wolfgang Schäubles entspringt, ist ungleich größere Vorsicht geboten - man denke hierbei nur an das trojanische Holzross, und daran, dass auch ein Rollstuhl so manches Ungemach bergen kann. Holzauge sei also wachsam, solange noch nicht klar ist, welche Würmer welche Löcher im Holzkopf bohren!

Samstag, 11. August 2007

Der Preis ist weiß

In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte sie es noch selbst, nun macht's der Preis: aus einer dickflüssigen, weißen Pampe, für die sich bislang bestenfalls eine Handvoll Säuglinge begeistern ließ, ist der trendy Drink des Sommers geworden: Milch. Jahrhunderte lang blubberte die dröge, langweilige Brühe unbeachtet aus Kuheutern in Blecheimer, nun, da sie längst nicht mehr für jedermann erschwinglich ist, wird sie neben Prosecco auch endlich für die besser verdienende Schickeria interessant. Und da sich Trends im global village rasend schnell über den gesamten Erdball verbreiten, dürstet es bereits jetzt schon eine Milliarde Chinesen nach der hippen Erfrischung. Kuhsaft wird also zum Exportschlager des Exportweltmeisters und alle sind froh: im Reich der Mitte ist man up to date und geht mit der Mode der westlichen Welt, Arbeitsplatzkiller wie Alois Müller können sich endlich ihre eigenen Kuhhörner vergolden lassen und Bauer Jupp aus Buxtehude bekommt auch seinen Cent mehr pro Liter. Lange Gesichter macht höchstens die neugeborene Fangemeinde des eau de boeuf, aber die kann man doch in Zukunft auch mit Mäusemilch stillen.

Montag, 6. August 2007

Seitensprung

Fremdfahren, also das T-Boot mit der D-Bahn vertauschen, hat sich bisher noch jedes Mal gerächt. Stolze 31 Euro verlangt Mehdorns jecke Truppe mittlerweile für eine gerade mal 150 Kilometer lange Strecke, aber weil es sich hierbei um zweifelsohne eine der schönsten Bahnlinien Europas handelt, die Loreley passierend am Mittelrhein entlang, war ich dann doch bereit, diesen Betrag zu berappen - zumal im Gegensatz zum Regionalverkehr im Intercity immerhin noch die Aussicht auf ein Raucherabteil und halbwegs kultivierte Reisegäste besteht.
Naja, immerhin durfte man tatsächlich rauchen. Und wer sich nicht an von Akne heimgesuchten Satansjüngern, deren Blicke diesen latenten Hauch von Kannibalismus verströmen, oder achtjährigen, Bonbons feilbietenden Blagen stört, die einen regelrecht zum Vortäuschen von Schlaf zwingen, dürfte auch keine Probleme mit seinen Mitreisenden gehabt haben. Das Gleis des Anstosses war diesmal vielmehr die Umgebung, die als Intercity getarnte rollende Müllkippe, für welche man doch tatsächlich 60 Mark und 63 Pfennige Eintritt bezahlt hatte.
Die gegenüberliegende Sitzgruppe etwa war mit grob geschätzt einer halben Kiste Bier in Form von Leergut äußerst kreativ drapiert, hinzu gesellte sich die restliche Deko aus fleckigen, zerfledderten Zeitschriften, Lebensmittelverpackungen die nicht nur allein durch ihre Beschriftung Auskunft über den vormaligen Inhalt gaben und noch ganz arg viel mehr Flaschen, Dosen, Tetrapaks.
Während ich nun abwägte, wer meines Zornes würdiger wäre, die Dreckschweine die vor mir in diesem Abteil mitgefahren waren, oder das stinkfaule Bahnpersonal, welches wer weiß wie oft, unverrichteter Dinge entlang dieser Deponie inmitten des von der UNESCO geschützten oberen Mittelrheintals flanierte, rollte zu meinen Füßen dieser angebissene Apfel vorbei...
Obwohl er Sir Isaac Newton hierzu auf den Kopf gefallen war, weckte er jedoch auch in mir die Erkenntnis: In Zeiten des Dosenpfands kann man sich mit dieser Menge Leergut natürlich ein stattliches Taschengeld hinzuverdienen, und bei der erlesenen Kollektion in diesem Wagon konnte es sich um nichts anderes als ein stillschweigendes Abkommen mit Mehdorn höchstpersönlich handeln, der offensichtlich von den Passagieren auf diese Weise - am Fiskus vorbei - seine angekündigten Fahrpreiserhöhungen direkt in die eigene Tasche gesteckt bekommen soll.
Wahrscheinlich wartete er mit seinem gelben Sack schon händereibend am Zielbahnhof in Stuttgart, überlegte ich mir noch, während ich dem Häuptling aller Dampfrösser sogar eine persönliche Widmung auf das Etikett meiner leeren Flasche kritzelte: Aber nicht alles auf einmal ausgeben!