Montag, 6. August 2007

Seitensprung

Fremdfahren, also das T-Boot mit der D-Bahn vertauschen, hat sich bisher noch jedes Mal gerächt. Stolze 31 Euro verlangt Mehdorns jecke Truppe mittlerweile für eine gerade mal 150 Kilometer lange Strecke, aber weil es sich hierbei um zweifelsohne eine der schönsten Bahnlinien Europas handelt, die Loreley passierend am Mittelrhein entlang, war ich dann doch bereit, diesen Betrag zu berappen - zumal im Gegensatz zum Regionalverkehr im Intercity immerhin noch die Aussicht auf ein Raucherabteil und halbwegs kultivierte Reisegäste besteht.
Naja, immerhin durfte man tatsächlich rauchen. Und wer sich nicht an von Akne heimgesuchten Satansjüngern, deren Blicke diesen latenten Hauch von Kannibalismus verströmen, oder achtjährigen, Bonbons feilbietenden Blagen stört, die einen regelrecht zum Vortäuschen von Schlaf zwingen, dürfte auch keine Probleme mit seinen Mitreisenden gehabt haben. Das Gleis des Anstosses war diesmal vielmehr die Umgebung, die als Intercity getarnte rollende Müllkippe, für welche man doch tatsächlich 60 Mark und 63 Pfennige Eintritt bezahlt hatte.
Die gegenüberliegende Sitzgruppe etwa war mit grob geschätzt einer halben Kiste Bier in Form von Leergut äußerst kreativ drapiert, hinzu gesellte sich die restliche Deko aus fleckigen, zerfledderten Zeitschriften, Lebensmittelverpackungen die nicht nur allein durch ihre Beschriftung Auskunft über den vormaligen Inhalt gaben und noch ganz arg viel mehr Flaschen, Dosen, Tetrapaks.
Während ich nun abwägte, wer meines Zornes würdiger wäre, die Dreckschweine die vor mir in diesem Abteil mitgefahren waren, oder das stinkfaule Bahnpersonal, welches wer weiß wie oft, unverrichteter Dinge entlang dieser Deponie inmitten des von der UNESCO geschützten oberen Mittelrheintals flanierte, rollte zu meinen Füßen dieser angebissene Apfel vorbei...
Obwohl er Sir Isaac Newton hierzu auf den Kopf gefallen war, weckte er jedoch auch in mir die Erkenntnis: In Zeiten des Dosenpfands kann man sich mit dieser Menge Leergut natürlich ein stattliches Taschengeld hinzuverdienen, und bei der erlesenen Kollektion in diesem Wagon konnte es sich um nichts anderes als ein stillschweigendes Abkommen mit Mehdorn höchstpersönlich handeln, der offensichtlich von den Passagieren auf diese Weise - am Fiskus vorbei - seine angekündigten Fahrpreiserhöhungen direkt in die eigene Tasche gesteckt bekommen soll.
Wahrscheinlich wartete er mit seinem gelben Sack schon händereibend am Zielbahnhof in Stuttgart, überlegte ich mir noch, während ich dem Häuptling aller Dampfrösser sogar eine persönliche Widmung auf das Etikett meiner leeren Flasche kritzelte: Aber nicht alles auf einmal ausgeben!

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